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Test: Renault Twingo Sce 70

Mai 28, 2015 Marken, Renault, Tests

Wie noch nie

Stammkunden der Marke müssen umdenken, denn der neue Renault Twingo ist vor allem eines nicht: Ein typischer Twingo.

Der gesamte Charakter des Fahrzeuges hat sich geändert. Vom bereits recht sachlichen Vorgängermodell hat er sich einen Riesenschritt wegbewegt. In Sachen bewusster Kleinheit überholt er beinahe den Ur-Twingo, denn alle anderen Autos sind in der Zwischenzeit gewaltig gewachsen.

Foto: Robert May

Dafür gibt’s erstmals fünf Türen. Das französische Schwesterauto zum Smart Forfour gibt es ab 9.990,- Euro; wir fuhren die kleinste Motorisierung mit 70 PS und dazu die Top-Ausstattung „Intens“. Da sind Dinge wie Klimaanlage, Tempomat, Nebelscheinwerfer, oder auch das Infotainment-System R&Go bereits an Bord. Das Auto kommt damit auf 12.390,- Euro. Extras wie 16-Zoll-Alus, der Metallic-Lack in „Dezir-Rot“ Klimaautomatik, Sitzheizung, Licht- und Regensensor oder Einparkhilfe am Heck brachten den Preis des Testwagens auf 14.350,20 Euro.
Mit der App namens R&Go wird das Smartphone ins Fahrzeug-System eingebunden, übernimmt die Navi-Funktion (offline, eine Karte gibt’s gratis dazu, weitere müssen gekauft werden) und zeigt Fahrzeugdaten sowie auch einen virtuellen Drehzahlmesser an. Mit einem der Redaktions-Fernsprecher wollte das Auto partout nicht reden. Das war aber eine Ausnahme.

In Farbe & bunt

Die Sitze sind auch auf längeren Strecken zumutbar und mit ihrem Drei-Farben-Dekor auch sehr fesch. Das gilt für das ganze Interieur, das mit Farben nicht geizt und Hartplastik spaßig präsentiert. Das passt dem Auto genau so gut wie die kräftige Außenfarbe mit zarten Zierstreifen.

Foto: Robert May
Foto: Robert May

Die Sitzposition hinter dem griffigen Lenkrad ist auch für größere Menschen tadellos. In der Reihe 2 sitzt man „klassenüblich“. Die hinteren Seitenfenster lassen sich nur ausstellen. Der Kofferraum ist mit maximal 219 Liter Volumen nicht üppig und eher seicht, denn sein Boden liegt einen Halbstock höher als gewohnt. Die Hecksitze lassen sich eben umfalten.
Wenig überzeugt hat uns die Zugänglichkeit der womöglich wartungsanfälligen Teile. Der Motor wohnt unter einer mit sechs Schrauben gesicherten Platte; die vordere Abdeckung lässt sich nur zum Nachfüllen der Scheibenwasch-Flüssigkeit einen Spalt öffnen, was etliche Handgriffe braucht. Mit klammen Fingern an einem eisigen Wintertag (denn grade dann geht einem justament das Scheibenwasser aus) wird das unangenehm. Wir hatten Wetterglück, und robuste Maniküre, wir machten uns nur die Hände dreckig.

Stadtkind

Heckmotor, Heckantrieb, aber zumindest mit 70 PS keine Rede von „quer ist mehr“: Ein überaus strenges ESP setzt dem Drift-King in uns enge disziplinäre Grenzen. Über den 199-km/h-Tacho mussten wir schmunzeln: Die Antriebskraft genügt in der City, auf der Autobahn ist der Twingo sein eigener Tempomat.

Foto: Robert May
Foto: Robert May

Dort steigt mit dem Geräuschpegel (und dem Mitleid mit der Maschine) auch der Verbrauch. Bei höherem Tempo ist man überhaupt ständig am Korrigieren des Kurses, der Geradeauslauf ist nicht beeindruckend. Wenn dann noch Seitenwind dazukommt, strengt das Auto wirklich an.
Zurück in die Stadt! Denn dort ist der 3,6 Meter lange Twingo ein Kaiser. Der Wendekreis ist beinahe nicht vorhanden, man lacht schallend über die Nöte plumper SUVs in Innenstadt-Gässchen. Verbrauch: 4,2 Liter ist der Werks-Durchschnitt, wir legten gut und gern zwei Liter drauf, mit Fernfahrten auch mehr.
Großes Herz und kleine Schwächen: Der neue Twingo leistet sich wieder mehr Charakter, und er ist anders als die bisherigen Twingos. Gewöhnen wir uns daran!
Fotos: Robert May