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Classic: Austro-Daimler ADGR

Der Letzte seiner Art

Jugend im Krieg, Karriere bei der Feuerwehr, Anerkennung zum Glück noch bei Lebzeiten: Ein österreichisches Schicksal auf Rädern.

In der Nachkriegszeit beschafften die meisten Kommunen dringend benötigte Einsatzfahrzeuge aus den Beständen, die von den Alliierten verwaltet wurden.

Foto: Archiv FF Aspang
Foto: Archiv FF Aspang

Es stand ja genug herum: Wehrmachtsbeute kam ebenso in zivile Nutzung wie z.B. die amerikanischen „Weapon Carrier“ von Dodge.
Die Gemeinde Aspang am Wechsel übernahm am 20. Juni 1947 zum Preis von 1.550 Schilling einen Austro-Daimler ADGR.
Kurios ist das Baujahr, nämlich 1940 – ein Austro-Daimler sieben Jahre nach dem Ende der Firma in Wiener Neustadt, und mitten in einer Zeit, in der „Austria“ äußerst unmodern war!

Geschichte im Schnellgang

1899 als Lizenznehmer des deutschen Daimler-Werkes gegründet, war Austro-Daimler ab 1906 unter der Ägide von Ferdinand Porsche größte Autofabrik und auch größter Militärlieferant der k.u.k.-Monarchie. Der Abstieg kam nach dem 1. Weltkrieg. 1923 verließ Porsche die Firma. 1930 war Hans Stuck noch Berg-Europameister für Austro-Daimler. Die Wirtschaftskrise erzwang die Fusion mit dem früheren Erzrivalen Steyr, das Werk in Wiener Neustadt wurde 1934 zugesperrt.

Foto: Archiv FF Aspang
Foto: Archiv FF Aspang

Militärfahrzeuge unter der Marke entstanden noch bis 1942 in Steyr. So auch der 1931 vorgestellte ADG (Austro-Daimler Geländewagen) mit 3 Tonnen Nutzlast und später das verbesserte Modell ADGR. Kunde war zunächst das österreichische Bundesheer, später die teutonische Wehrmacht, zuletzt im Jahr 1940.
Einer der allerletzten ADGR landete nach unbekannter Kriegs-Geschichte zunächst arg ramponiert in Wien, dann übersiedelte er ins Wechselland.

Heimkehrer

Umbau mit viel Sachverstand: Der 2000 Liter fassende Wassertank und seine Halterungen sind maßgeschneidert, der Seilwinden-Antrieb war ideal für die Löschwasserpumpe. Die erlaubt übrigens die Beimischung von Löschschaum, damals keine Selbstverständlichkeit. Der Schaum war „bio“, aus Eiweiß und mit entsprechendem Geruch!

Foto: Archiv FF Aspang
Foto: Archiv FF Aspang

Den drei Mann Besatzung bot nur ein Stoffverdeck Wetterschutz, Türen oder eine Heizung gibt es ebensowenig wie eine Tankuhr. Der 3,9 Liter große, 80 PS starke Benzinmotor mit sechs Zylindern in Reihe und Alu-Block, eine Variante des Stuck’schen Meistermotors, treibt die beiden hinteren Schwingachsen (die hatte später auch der Pinzgauer) mit zwei Kardanwellen an.
Das Getriebe bietet drei Geländegänge, mit Wendegetriebe auch nach rückwärts, und vier „schnelle“ Vorwärtsgänge. Ein Grund für die Außerdienststellung war die Handbremse, sie wirkt auf die Vorderachse. Motor und Antrieb sind immer noch dieselben wie beim Kauf 1947; Komponenten wie der Vergaser kamen mangels Originalteilen von anderswo, z.B. vom Opel Blitz.
Die Mischkulanz bleibt auch so, denn der Zustand der Anmeldung im Jahr 1954 soll erhalten werden. Und Austro-Daimler’sche Originalteile gibt’s ja sowieso nicht!

„Schnell“ ist relativ

Tanklöschfahrzeuge waren damals im ländlichen Raum Mangelware. Entsprechend weit kam der ADGR in der Region herum, mit einer moderaten Geschwindigkeit von maximal 75 km/h und oft auch in schwierigem Gelände. Diese zweite Karriere dauerte immerhin fast zwei Jahrzehnte.
Ende der 1960er kam ein neues Tankfahrzeug nach Aspang, und die Zulassungsbehörde hatte langsam Bedenken. Ab Anfang der 1970er abgemeldet und nach einem Frostschaden am Motorblock stillgelegt, stand der ADGR jahrzehntelang im Aspanger Automuseum.

Foto: JG
Foto: JG

Seit 2007 machen Enthusiasten rund um Landesfeuerwehrrat Josef Huber, Karl Kahofer, Walter Pruggmüller und viele andere ihn schrittweise reif für die Neuzulassung.
Großer Rückschlag war 2008 ein Zylinderkopfschaden: Das Entfernen der alten Stehbolzen aus Messing aus dem hohen Motorblock war ein heikles Geduldsspiel, die Grazer Firma Langbauer nahm dann die Revision vor.
Letzte große „Baustelle“ ist die Löschwasserpumpe, und der Tank sollte gereinigt werden; wasserdicht ist er noch immer. Ansonsten geht’s um Details: Epochengetreue Scheinwerfer und Rücklichter (die vom Steyr 50 „Baby“) sind vorhanden, passende Blinker sucht man noch.
Heute gibt es nur mehr ungefähr hundert Austro-Daimler, und nur diesen einzigen ADGR als Zeugen der späten Markengeschichte. Er ist in Aspang gut aufgehoben.
Johannes Gauglica; Fotos: Archiv FF Aspang-Markt, JG